von Detlef Rassbach und Ralf Brückner (Freies Wort)
Drei Schlagzeilen aus drei Etagen des Thüringer Fußball-Hauses ließen unlängst deren jeweilige "Bauzustände" in sehr
unterschiedlichem Licht erscheinen:
Oberste Etage: Auf der Mitgliederversammlung des FC Rot-Weiß Erfurt, mit 6 Mio. DM einer der bestausgestattetsten
Regionalligisten, dankt der wiedergewählte Präsident Michael Leitenstorfer seinem Hauptsponsor, mit dessen Hilfe es möglich war,
die Schulden in den letzten zwei Jahren fast zu halbieren.
Mlttlere Etage: Anlässlich des Trainerwechsels beim Oberligisten FC Carl Zeiss Jena teilt Vizepräsident Rainer Zipfel
mit, dass zur Etat-Deckung der Saison noch 250 000 Euro fehlten.
Untere Etage: Vor dem Heimspiel gegen den SSV Schlotheim (0:2) teilt der Präsident des Landesligisten 1. Suhler SV 06,
Dietmar Becker, seinen Spielern mit, dass in der Rückrunde 2001/ 2002 die vertraglichen Aufwandsentschädigungen nicht mehr
gezahlt werden können.
Fazit: Während man sich "oben" beim FC Rot-Weiß finanziell auf der TEAG-Insel der Seligen sonnen kann,
bröckelt im Mittelbau überall der Putz. Im Unterbau dagegen ist erst gar kein Putz mehr vorhanden.
Letztere These wird übrigens nicht nur durch den Suhler SV gestützt: Als der zwei Wochen nach der Schlotheim-Partie zu Hause
einen indiskutabel aufpielenden 1. SV Gera mit 4:2 besiegte, wurden in den Reihen der Gäste ausstehende Spielergehälter als Grund
für fehlende Motivationen ausgemacht!
Bedenklich stimmt da weniger, dass hier zwei Fußball-Standorte mit stolzer DDR-Liga- bzw. Amateur-Oberliga-Vergangenheit nun um
finanzielle Stabilität in der Landesliga ringen. Anderswo, etwa im Kali-Revier, waren die Abstürze noch tiefer. Schlimmer ist,
dass auch keine Nachbarvereine die so entstandenen Lücken wieder schließen. Beim VfB 09 Pößneck z. B. steht der sportliche
Aufstieg zur Oberliga seit dem 1:0 über Erfurt-Nord so gut wie fest, finanziell aber gibt‘s Stirnrunzeln. Trainer Vogel dazu
unlängst in Schmalkalden, wo er sich die Erfurter angesehen hatte: "Es sieht böse aus: Die Wirtschaft bei uns ist mausetot."
Auch der Präsident des zwischenzeitlich mal im Spitzenfeld anklopfenden FSV Schmalkalden, Fredy Wagner, legte sich diesbezüglich
klar fest: "Selbst wenn wir ganz vorn stehen würden - mit mir gäbe es in Schmalkalden keine Oberliga!"
Der Geschäftsmann kennt das Problem finanzieller Fußball-Seiltänze. Wohin das führen kann, demonstriert derzeit der letztjährige
souveräne Landesmeister Wacker 07 Gotha. Dieser hatte sich nach dem Oberliga-Aufstieg extrem verstärkt, um überhaupt sportlich
mithalten zu können. Das ist auch gelungen — nur liefen die Akteure zwischenzeitlich ihren Gehältern ebenso intensiv hinterher
wie dem runden Leder. Als zur Winterpause der Ex-Rudislebener .Dmitri Birjukow den Verein verließ, war von
"nicht erfüllten Zusagen" die Rede...
Offensichtlich erzeugt die zweigleisige Struktur dieser Oberliga ein ungesundes Verhältnis in den Staffeln: Oben fühlen sich
einige Vereine zu Höherem berufen und operieren mit riskanten Millionenetats und der Rest wird für seine finanziellen Klimmzüge
mit permanenten Graue-Maus-Plätzen belohnt. Geldschwierigkeiten dagegen gibt es in beiden Kategorien — siehe aktuell den
VfB Leipzig bzw. Stahl Riesa. Aus Thüringer Sicht wäre deshalb eine eingleisige Oberliga sinnvoller, denn das würde auch
das Niveau und die Zuschauerzahlen eine Klasse tiefer heben!
Dietmar Becker, jetzt Präsident des 1. Suhler SV 06, hatte schon zu seligen SSV-Oberligazeiten, als er dort noch Geschäftsführer
war, für eine Klasse tiefer, aber mit solidem finanziellem Fundament, plädiert und war dafür viel gescholten worden.
Jetzt hat er die Landesliga — aber immer noch kein solides finanzielles Fundament.
Was ist die Suhler Philosophie wert?
Weil reihenweise die Hauptsponsoren wegbrachen und Becker mit seiner eigenen Firma fast auf sich allein gestellt blieb, hatte der
SSV zur Hinrunde Zahlungen in Richtung 1. Männermannschaft weitgehend eingeschränkt und stellt ab 2002/ 2003 die Halbierung der
bisherigen Bezüge in Aussicht. Der Verein macht auch gar kein Hehl aus dieser Situation, die übrigens nicht nur die
Landesliga-Spieler betrifft: "Die Ankündigung unpopulärer Maßnahmen wie Ausgaben senken, Bezüge kürzen oder ganz streichen
ergaben bei Spielern, Trainern, Betreuern und Eltern zwar keine Ovationen, aber schließlich Verständnis und Unterstützung für diese
notwendigen Einschnitte — mit der Kernaussage, wir bleiben unserem Verein treu!", hieß es offiziell. "Wie zur Bestätigung
erreichten die Nachwuchsmannschaften bei den Landes-Hallenmeisterschaften die bis dato besten Platzierungen." Und nicht nur
das: Nach dem 0:2 gegen Schlotheim legte auch die Landesliga-Truppe plötzlich eine Serie. mit vier Siegen am Stück und elf
Toren hin. Das klingt kurios, ist aber kein Einzelfall. Als z. B. im Herbst beim SV Arnstadt Rudisleben Gehaltsrückstände
auftraten und auch der langjährige Trainer Albert Krebs das Handtuch warf, machte das Team ausgerechnet da die besten
Spiele: 2:1-Sieg über Pößneck und 0:0 bei Erfurt-Nord.
Nichtsdestotrotz: SSV-Präsident Becker hat sich von seinen Landesliga-Spielern vorsichtshalber eine Absichtserklärung unterschreiben
lassen, vorerst nicht zu wechseln. Die ist zwar Im Ernstfall nicht bindend, aber immerhin... Ob man mit dieser Philosophie
durchkommt, weiß der Verein ohnehin erst, wenn im Sommer die Wechselfrist für. die kommende Saison ansteht...
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