Samstag 20.April 2002 vorherige Meldung zurück zur Übersicht nächste Meldung

von der Jahreshauptversammlung FSV Wacker 90 Nordhausen

Mitglieder ließen Wacker-Schiff beinahe stranden
Wacker 90 stand kurz vorm Exitus

von Jens Feuerriegel (Nordhausen / TA)

FSV Wacker Nordhausen Wacker 90 stand kurz vorm Exitus. Der Schwanengesang war Donnerstag Abend schon zu hören. Für Stunden war der Fußballsportverein bereits klinisch tot. Kurz vor 23 Uhr wurde er reanimiert. Ein Notvorstand ist installiert worden. Der hauchte dem Verein wieder Leben ein. Doch die Luft reicht nur bis zum 28. Juni. Der Countdown läuft. Eine Berg- und Tal-Fahrt war diese Jahreshauptversammlung des FSV Wacker 90 Nordhausen. Der Zufriedenheit über die positiv überstandene Insolvenz folgte der Sturz ins Bodenlose beim Versuch, ein arbeitsfähiges Präsidium zu wählen.
Der bisherige Vorstand verzichtete auf eine Wiederwahl. Der Präsident Wolfgang Lutze nannte sowohl berufliche als auch persönliche Gründe ("Meine Luft ist alle.") und sah seine Zukunft im sportlichen Bereich des Vereins. Eventuell als Verstärkung des Übungsleiter-Teams. Vizepräsident Joachim Claus meinte, seine Mission sei erfüllt. Seit 1998 stand der Landrat dem Verein zur Verfügung. Er hielt durch, um im Konkursverfahren zu helfen. Dieser Kampf ist gewonnen. Deshalb zieht er sich nun zurück. Beisitzer Klaus Becker verzichtete aus gesundheitlichen Gründen auf sein Amt. Schatzmeister Hans-Peter Kell konnte keine Basis mehr für eine vernünftige Arbeit in diesem Verein erkennen. Kurz zuvor war sein Finanzplan am Willen der Mitglieder-Mehrheit gescheitert. Das betrachtete er als persönliche Niederlage. Daraus zog er seine Konsequenz.
Mit einem Schlag war der Verein führungslos. Als Bewerber für das neue Präsidium gesucht wurden, fand sich nur einer: Gino Galeano aus Salza. Er sei zu allem bereit, umschrieb der Italiener seinen Tatendurst. Er würde im neuen Vorstand jeden Job übernehmen, auch den des Schuhputzers. Seine Worte sollten aufrütteln, die Mitglieder aus ihrer Trägheit reißen. Aber vermutlich kam nicht jeder Spruch an ("Ihr habt nichts in der Hose.") und dürfte Galeanos Ambitionen nicht gestärkt haben.

Nach langem Hin und Her, hitziger Debatte und emotionalen Vorwürfen gab es nur einen Ausweg. Joachim Claus, dessen unermüdliches Ringen um Sachlichkeit ebenso ausdauernd wie bewundernswert war, wies die Richtung. Der Verein wird beim Amtsgericht den Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes einreichen. In der Begründung wird es heißen: Der Verein sei handlungsunfähig. Der Präsident habe nicht mehr zur Verfügung gestanden. Und ein neuer Vorsitzender sei nicht wählbar gewesen. Dieser Notvorstand sollte eine Einzelperson sein, die das Vertrauen aller Mitglieder besitzt. Mehrere Kandidaten wurden ins Spiel gebracht. Alle lehnten ab. Auch Wolfgang Lutze. Doch je später der Abend, desto dichter stand der 56-Jährige mit dem Rücken zur Wand. Letztlich konnte er der Verantwortung nicht mehr ausweichen. Er übernahm noch einmal das Ruder. Kommissarisch bis zum 28. Juni. Und nur unter der Bedingung, dass eine so genannte Findungskommission gebildet wird, die geeignete Kandidaten für das neue Präsidium gewinnen muss. Gelingt das nicht, wird sich Wacker 90 aus dem Vereinsregister streichen lassen müssen. Der Kommission schlossen sich Klaus Becker, Joachim Claus, Hans-Peter Kell, Jens Ludwig und Horst Schulze an.
Die Personaldebatte zur Wahl des neuen Präsidiums war nicht die einzige zähe und langwierige Diskussion an diesem Abend. Der erste Streit galt einer relativ geringen Beitragserhöhung, die Schatzmeister Kell angesichts der akuten Finanznot im Verein für erforderlich hielt. Die Mehrheit der anwesenden 43 Mitglieder schmetterte jedoch diese Beschlussvorlage ab. So gilt weiterhin die alte Beitragsordnung.
Die Versammlung bot auch die üblichen Programmpunkte - wie die Rechenschaftsberichte von Präsident und Schatzmeister. Lutze erläuterte Licht und Schatten seiner 20-monatigen Amtszeit. Kell legte den sorgenvollen Finanzplan offen. In beiden Reden steckten einige Botschaften an die Mitglieder. Erhört wurden sie nicht.

Quelle: Thüringer Allgemeine