von Jens Feuerriegel (Nordhausen / TA)
Wacker 90 stand kurz vorm Exitus. Der Schwanengesang war Donnerstag
Abend schon zu hören. Für Stunden war der Fußballsportverein bereits
klinisch tot. Kurz vor 23 Uhr wurde er reanimiert. Ein Notvorstand
ist installiert worden. Der hauchte dem Verein wieder Leben ein.
Doch die Luft reicht nur bis zum 28. Juni. Der Countdown läuft.
Eine Berg- und Tal-Fahrt war diese Jahreshauptversammlung des FSV
Wacker 90 Nordhausen. Der Zufriedenheit über die positiv
überstandene Insolvenz folgte der Sturz ins Bodenlose beim Versuch,
ein arbeitsfähiges Präsidium zu wählen.
Der bisherige Vorstand verzichtete auf eine Wiederwahl. Der
Präsident Wolfgang Lutze nannte sowohl berufliche als auch
persönliche Gründe ("Meine Luft ist alle.") und sah seine Zukunft im
sportlichen Bereich des Vereins. Eventuell als Verstärkung des
Übungsleiter-Teams. Vizepräsident Joachim Claus meinte, seine
Mission sei erfüllt. Seit 1998 stand der Landrat dem Verein zur
Verfügung. Er hielt durch, um im Konkursverfahren zu helfen. Dieser
Kampf ist gewonnen. Deshalb zieht er sich nun zurück. Beisitzer
Klaus Becker verzichtete aus gesundheitlichen Gründen auf sein Amt.
Schatzmeister Hans-Peter Kell konnte keine Basis mehr für eine
vernünftige Arbeit in diesem Verein erkennen. Kurz zuvor war sein
Finanzplan am Willen der Mitglieder-Mehrheit gescheitert. Das
betrachtete er als persönliche Niederlage. Daraus zog er seine
Konsequenz.
Mit einem Schlag war der Verein führungslos. Als Bewerber für das
neue Präsidium gesucht wurden, fand sich nur einer: Gino Galeano aus
Salza. Er sei zu allem bereit, umschrieb der Italiener seinen
Tatendurst. Er würde im neuen Vorstand jeden Job übernehmen, auch
den des Schuhputzers. Seine Worte sollten aufrütteln, die Mitglieder
aus ihrer Trägheit reißen. Aber vermutlich kam nicht jeder Spruch an
("Ihr habt nichts in der Hose.") und dürfte Galeanos Ambitionen
nicht gestärkt haben.
Nach langem Hin und Her, hitziger Debatte und emotionalen Vorwürfen
gab es nur einen Ausweg. Joachim Claus, dessen unermüdliches Ringen
um Sachlichkeit ebenso ausdauernd wie bewundernswert war, wies die
Richtung. Der Verein wird beim Amtsgericht den Antrag auf Bestellung
eines Notvorstandes einreichen. In der Begründung wird es heißen:
Der Verein sei handlungsunfähig. Der Präsident habe nicht mehr zur
Verfügung gestanden. Und ein neuer Vorsitzender sei nicht wählbar
gewesen. Dieser Notvorstand sollte eine Einzelperson sein, die das
Vertrauen aller Mitglieder besitzt. Mehrere Kandidaten wurden ins
Spiel gebracht. Alle lehnten ab. Auch Wolfgang Lutze. Doch je später
der Abend, desto dichter stand der 56-Jährige mit dem Rücken zur
Wand. Letztlich konnte er der Verantwortung nicht mehr ausweichen.
Er übernahm noch einmal das Ruder. Kommissarisch bis zum 28. Juni.
Und nur unter der Bedingung, dass eine so genannte
Findungskommission gebildet wird, die geeignete Kandidaten für das
neue Präsidium gewinnen muss. Gelingt das nicht, wird sich Wacker 90
aus dem Vereinsregister streichen lassen müssen. Der Kommission
schlossen sich Klaus Becker, Joachim Claus, Hans-Peter Kell, Jens
Ludwig und Horst Schulze an.
Die Personaldebatte zur Wahl des neuen Präsidiums war nicht die
einzige zähe und langwierige Diskussion an diesem Abend. Der erste
Streit galt einer relativ geringen Beitragserhöhung, die
Schatzmeister Kell angesichts der akuten Finanznot im Verein für
erforderlich hielt. Die Mehrheit der anwesenden 43 Mitglieder
schmetterte jedoch diese Beschlussvorlage ab. So gilt weiterhin die
alte Beitragsordnung.
Die Versammlung bot auch die üblichen Programmpunkte - wie die
Rechenschaftsberichte von Präsident und Schatzmeister. Lutze
erläuterte Licht und Schatten seiner 20-monatigen Amtszeit. Kell
legte den sorgenvollen Finanzplan offen. In beiden Reden steckten
einige Botschaften an die Mitglieder. Erhört wurden sie nicht.
|