Dienstag 30.April 2002 vorherige Meldung zurück zur Übersicht nächste Meldung

Zum abgesagten Thüringer Pokalfinale

Fans wollen keinen Fußball

von Marco Alles (TA)

Der Fußball ruht. Das für heute angesetzte Thüringer Pokal-Endspiel zwischen dem FC Rot-Weiß und dem FC Carl Zeiss findet nicht statt. Das entschied gestern der Thüringer Fußballverband (TFV) und beugte sich damit dem großen Druck der Öffentlichkeit. Als neuer Termin wurde in Abstimmung mit beiden Vereinen der 21. oder 22. Mai festgelegt. Die Eintrittskarten behalten ihre Gültigkeit. Im Vorfeld hatten sich vor allem die Erfurter Vereinsführung und deren Fans für eine Absage stark gemacht. Das sei man den Opfern der Tragödie vom vergangenen Freitag einfach schuldig, erklärte der Rot-Weiß-Aufsichtsrats-Vorsitzende Michael Panse gegenüber TA. Bei einem Amok-Lauf hatte ein 19-Jähriger am Erfurter Gutenberg-Gymnasium 16 Menschen getötet.
Am Wochenende waren deshalb der Großteil der Sportveranstaltungen - darunter sämtliche Fußball-Spiele - in der Landeshauptstadt abgesagt worden. Auf Grund des Austragungsortes (Gotha) und der Termin-Ballung am Saisonende wollte der TFV noch bis gestern Vormittag das Finale stattfinden lassen.
Darauf hin hatten viele Anhänger ihren Boykott angekündigt. Das Erfurter Fan-Projekt startete einen Aufruf, im Gedenken an die Opfer auf sämtliche Transparente und Fahnen sowie lautstarke Unterstützung zu verzichten. Auch im Jenaer Fan-Lager hatte sich die Mehrheit für eine Spielabsage ausgesprochen. Diese eindeutigen Reaktionen der Anhänger bewirkten ein Umdenken in der TFV-Zentrale.
"Die Verlegung des Endspieles ist die einzig richtige Entscheidung", erklärte Rot-Weiß-Präsident Michael Leitenstorfer. "Der Fußball soll Freude vermitteln. Und das ist diese Woche einfach nicht möglich." Auch Fanbetreuer Danilo Knieling zeigte sich erleichtert über den Ausfall: "Wie hätten wir unserer Mannschaft denn zujubeln sollen, wenn ein paar Kilometer weiter entfernt ganz Erfurt in Trauer liegt?"
Schon am vergangenen Freitag in Trier sei es verdammt schwierig gewesen, dem Spiel zu folgen und sich über den Sieg zu freuen. "Unsere Gedanken waren in Erfurt. Da war das 3:2 fast egal", beschrieb der 30-Jährige gestern die bedrückende Stimmung unter den Fans an der Mosel.

Auch der Jenaer Fanbeauftragte Matthias Stein hält die Verlegung des Finales für eine "besonnene und angemessene Entscheidung". Es hätte seiner Ansicht nach mit Sicherheit eine "sehr befremdliche Atmosphäre" im Gothaer Volksparkstadion geherrscht. Fußball, der von Stimmung lebt, und Trauerbekundungen passen nicht zusammen. Sportlich ist die Neuansetzung des Endspieles für den FC Carl Zeiss schwerer zu verkraften. Es steigt nun in der vermutlich entscheidenden Meisterschaftswoche, zwischen dem Heimspiel gegen Zwickau und vor dem abschließendem Auftritt bei Sachsen Leipzig. Für die Erfurter ist dagegen zu diesem Zeitpunkt die Saison schon beendet. Am 18. Mai treten sie zum Abschluss bei Kaiserslauterns Amateuren an.

Zeiss-Präsident Michael Meier favorisierte deshalb die Austragung des Finales zu Beginn des nächsten Spieljahres. Eine Ausnahmegenehmigung von Seiten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wäre auch erteilt worden. Trainer Frank Eulberg entschied sich allerdings dafür, den Pokalsieger noch in der laufenden Serie zu küren: "Damit die Saison einen sauberen Abschluss hat." Matthias Stein sagte, sicherlich stellvertretend für alle Thüringer Fußball-Anhänger: "In solch einem Fall müssen einfach etwaige Termin-Schwierigkeiten und sportliche Zwänge in den Hintergrund treten."
Aus Respekt vor den Opfern.

 

Quelle: Thüringer Allgemeine