Mittwoch 20.Juni 2001 vorherige Meldung zurück zur Übersicht nächste Meldung
FC Rot-Weiß Erfurt: Dampfmacher auf dem Abstellgleis

von Marco Alles (Erfurt/TA)

FC Rot-Weiß Erfurt Als Yvonne Ostrowski, Sekretärin in der Rot-Weiß-Geschäftsstelle, am Montagmittag einen telefonischen Rundruf startete, um den Spielern den vorzeitigen Trainingsstart (morgen 10 Uhr) mitzuteilen, wurden zwei Akteure nicht informiert. André Tews und Nico Scheller, deren Verträge am 30. Juni ebenso auslaufen wie der Kontrakt von Petr Nemec, gehören demnach in der neuen Saison nicht mehr zum Erfurter Kader.

"Sie haben noch kein Vertrags-Angebot für die Regionalliga erhalten", bestätigte Manager Heinz-Joachim Jungnickel gestern. Und die beiden Mittelfeldspieler werden wohl auch keines mehr bekommen. Neue Strukturen will Trainer Hans-Ulrich Thomale - er kehrt heute aus dem Urlaub zurück - innerhalb der Mannschaft schaffen, eine neue Hierarchie aufbauen, leistungs- und willens- starke Akteure verpflichten. In den vergangenen Monaten sprach der Coach immer wieder von der "Friede-Freude-Eierkuchen"-Mentalität, die in Erfurt herrscht. "Um wirklich vorwärts zu kommen, müssen einige Häuptlinge her", lautete die Forderung des 54-Jährigen.

Dass er unter diesem Aspekt gerade auf die Dienste Tews´ und Schellers verzichtet, verwundert schon. Beide Akteure gehörten im abgelaufenen Jahr zu den rar gesäten Rot-Weißen, die auf dem Platz verbal Dampf machten und auch intern in der Kabine den Mund auftaten. Nicht unbedingt pflegeleichte Anpasser. Aber zwei, denen man das Engagement für den Verein nicht absprechen kann. "So abserviert zu werden, halte ich für stillos", sagte André Tews, der sechs Jahre lang das Erfurter Trikot trug. Ihm wurde nach dem gewonnenen Pokalfinale gegen Jena ebenso wie Nico Scheller ein Oberliga-Vertrag angeboten, "bei dem von vornherein klar war, dass ich ihn nicht annehmen würde".
Ein Zeichen, dass der Klub ohne den Defensiv-Mann plant. Und deshalb schaute er sich um, entscheidet sich in dieser Woche zwischen einem konkreten Angebot aus der Regionalliga und der Oberliga. "Das Kapitel FC Rot-Weiß ist für mich abgeschlossen", erklärt Tews sachlich, aber nicht emotionslos.
Dafür verbindet der gebürtige Ostwestfale zu viel mit Erfurt. Am Samstag heiratete er hier seine Nicole. Zur abendlichen Feier im "Waldhaus" kamen neben Familie, Freunden und Mannschaftskollegen auch Vertreter des Rot-Weiß-Fanprojekts, die ihm einen Pokal und einen Schal überreichten. "Bei ihnen möchten wir uns herzlich dafür bedanken. Und ich werde mich sicher noch einmal im Fanhaus sehen lassen."

Einen guten Draht zu den Anhängern hat auch Nico Scheller - mit Ausnahme von Abstechern nach Zwickau und Nordhausen seit 1985 ein Rot-Weißer. Ihm war schon seit geraumer Zeit klar, dass mit ihm nicht mehr geplant würde, "da es nie ein Gespräch mit dem Trainer über die Zukunft gab". Er vermisste in erster Linie Ehrlichkeit von Seiten des Vereins und "etwas früher ein paar offene Worte". Nun will sich der Diplom-Betriebswirt verstärkt auf die berufliche Schiene konzentrieren. "Mit 29 bin ich aber noch nicht zu alt zum Fußball spielen", ist er weiter nach allen Seiten offen. Auch ein Wechsel nach Hessen - Freundin Ellen arbeitet in Frankfurt - sei zum jetzigen Zeitpunkt ein Thema.

Während Kollege Nemec voraussichtlich nach Tschechien zurückkehrt, laufen die Personalplanungen in Sachen Neuverpflichtungen auf Hochtouren. Ende dieser Woche sollen die ersten Unterschriften folgen. Nach TA-Informationen gehört Karsten Oswald zu den heißen Kandidaten. Der 26-Jährige ist zuletzt zwei Jahre beim Chemnitzer FC aktiv gewesen, zählte dort zu den Stammkräften. Zuvor kickte er zusammen mit Jörg Emmerich beim VfL Halle. Der 1,90-Hüne - Spitzname: "Ossi" - kann als klassischer Linksbeiner sowohl im linken Mittelfeld oder in der Abwehr spielen. In der Vorwoche hatte Oswald die Entscheidungsfrist über das ihm vorgelegte Vertragsangebot verstreichen lassen. Neben dem FC Rot-Weiß haben wohl auch Zweitligisten Interesse an ihm. Wie Sven Dreyer, der angeblich von Waldhof Mannheim umworben wird. Der Torschützenkönig der NOFV-Oberliga Süd vom Absteiger Anhalt Dessau (24 Treffer) soll für frischen Wind im Erfurter Angriff sorgen. Der 29-Jährige wäre ebenso ablösefrei wie Oswald.

Rot-Weiß-Manager Jungnickel hielt sich gestern noch bedeckt. "Ich kann in dieser Angelegenheit derzeit nichts bestätigen." Vom Verein dementiert wurden Gerüchte, wonach Mike Lünsmann (Sachsen Leipzig) und Jenas Stürmer Aleksandar Jovic an den Steigerwald wechseln. Dagegen sind die aus dem Nachwuchs des FC Carl Zeiss stammenden Carsten Sträßer und Torsten Ziegner im Gespräch. U21-Nationalspieler Sträßer war 1999 von Jena zu den Amateuren von Hertha BSC gewechselt, Ziegner stand zuletzt bei den Stuttgarter Kickers unter Vertrag.

 

Quelle: Thüringer-Allgemeine