Mittwoch 3.Oktober 2001 vorherige Meldung zurück zur Übersicht nächste Meldung

Thüringenliga: SC 1903 Weimar

Weimar wartet auf ein Wunder

von Gerhard Weigel (Weimar /TA)

Es war im Februar 1999, als ein starker Sturm das Dach der Tribüne auf dem Weimarer Lindenberg-Sportplatz wegfegte. Nach der kurzfristigen Absicherung der Schadstelle erfolgten ein Jahr später der Gesamtabriss des Gebäudes und die in diesem Zusammenhang notwendigen Aufräumungsarbeiten. Seitdem wurden und werden die Pläne eines Wiederaufbaus immer wieder von Neuem ent- und verworfen. Es scheint, als habe Goethe seine so viel zitierte Gedichtzeile "Über allen Gipfeln ist Ruh´" auch in einer Vorahnung des derzeitigen Zustands auf dem Lindenberg geschrieben.
Weimar Lindenberg
Nun dürfte wohl kaum jemand erwarten, dass es dort für die altehrwürdige Holztribüne mit ihren rund 400 Sitzplätzen eine fröhliche Auferstehung geben wird. Schließlich liegt die von Spielerpersönlichkeiten wie Schäller, Göring, Schuster, Irmscher, Trommler und so weiter geprägte Glanzzeit des Weimarer Fußballs nun schon ein rundes halbes Jahrhundert zurück. Seinerzeit waren bei Oberligaspielen auf dem Lindenberg Zuschauerzahlen jenseits der 10 000-er-Grenze an der Tagesordnung, wurde der Inhaber eines Tribünendauerplatzes beneidet und als privilegiert eingeordnet.
Um die Jahrhundertwende Ein Blick auf dem Weimaer Lindenberg um die Jahrhundertewende
Das ist schöne Vergangenheit. Heute fristet der SC 1903 Weimar in der Landesliga ein bescheidenes Dasein, treten am Wochenende nur noch einige wenige Unentwegte den Weg zu den Punktspielen auf dem Lindenberg an. Den für die Geschicke des Vereins verantwortlich zeichnenden Männern geht es auch nicht um bequeme und regensichere Sitzmöglichkeiten der Zuschauer. Wesentlich wichtiger erscheint ihnen der Neubau der ehemals im Tribünentrakt integrierten Sozial- und Waschräume. Denn der Verein hat 16 am ständigen Spielbetrieb beteiligte Mannschaften, 13 davon gehören zur das Leistungsniveau auf Landesebene mitbestim-menden Nachwuchsabteilung. Die Zahl der Umkleide- und Waschräume steht dabei in keinem Verhältnis zur Anzahl der auf dem Lindenberg Sporttreibenden. Die von dieser Misere ebenfalls betroffenen auswärtigen Mannschaften sprechen mit Recht von unzumutbaren Zuständen.

Der Weimarer Sportamtsleiter Klaus Billi weiß um die Problematik, weiß aber auch um die kommunalen Finanzprobleme. Bereits zu Jahresbeginn sollten die ersten Arbeiten in Angriff genommen werden, wobei eine Teilfinanzierung durch das Thüringer Sozialministerium ebenso abgesichert war wie der Einsatz von ABM-Kräften. Was fehlte und noch immer fehlt, ist jedoch die Zusage des zehnprozentigen Anteils der Stadt, deren Aufsichtsrat einer wegen dieser Baumaßnahme notwendigen Kreditaufnahme nicht zugestimmt hat. Der zweite Starttermin für die anstehenden Arbeiten war eigentlich der Oktober. Inzwischen wurde der Beginn jedoch bereits auf den April 2002 vertagt. Und selbst darüber will die Stadtverwaltung erst im kommenden November endgültig entscheiden.

Inzwischen hat der Verein in Eigeninitiative und mit finan-zieller Unterstützung mehrerer Sponsoren Projekte im Gesamtwert von 160 000 Mark erarbeiten lassen. Sie liegen als Grundlage bereit, wenn tatsächlich im April nächsten Jahres begonnen werden sollte. Für den Vereinspräsidenten Harry Wunder ist dies übrigens die letzte Frist; verstreicht auch sie ohne Aufnahme der Arbeit, haben er, Abteilungsleiter Hans-Georg Hafner und der gesamte Vorstand die Niederlegung ihrer Funktionen angekündigt. Bleibt zu hoffen, dass sie nicht zu diesem Schritt gezwungen werden, sondern Monate später neben dem 100-jährigen Jubiläum der Vereinsgründung auch den erfolgreichen Abschluss ihres Kampfes um einen neuen Sozialtrakt feiern können. Bis dahin gilt für Harry Wunder und seine Mitstreiter ein anderes Goethewort: "Die Botschaft hör´ ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube."

FOTOS: Homepage des SC 1903 Weimar

Thüringer Allgemeine