Mittwoch 6.Juni 2001 vorherige Meldung zurück zur Übersicht Archiv

Interview mit dem Präsidenten des SV Wacker Gotha

SV Wacker 07 Gotha: Kleiner David in der Goliath-Liga

von Nils R. Kawig ( Gotha / tlz)

Sv Wacker 07 Gotha Sportlich hat der SV Wacker 07 Gotha in diesem Jahr Maßstäbe gesetzt - mit dem Aufstieg der Fußballer in die Amateur-Oberliga, mit dem Deutschen Meistertitel von Thomas Völkner im Boxen, mit den Erfolgen der Abteilung Tischtennis. Jetzt gilt es, den Verein auch strukturell auf die Siegerstraße zu führen. Am Freitag wählen die Mitglieder in Gothas großem Traditionssportverein den Vorstand. TAGESPOSTZ-Mitarbeiter Nils R. Kawig sprach mit Vereinspräsident Helmut Rieth über Vergangenes, Gegenwärtiges und die Zukunft in der Oberliga.

TLZ: Herr Rieth, inwiefern trägt der SV Wacker 07 Gotha heute ihre Handschrift?
Helmut Rieth: Meine Handschrift? Ich glaube, dass es den Verein überhaupt noch gibt. Zwischendurch stand er auf der Kippe.
TLZ: Wie hat sich Wacker seitdem verändert?
Helmut Rieth: Es gibt heute mehr Transparenz zwischen dem Vorstand und den Abteilungsleitungen, weil ich die Abteilungsleiter in die Vorstandssitzungen mit eingebunden habe. Dadurch hat sich der Informationsfluss im Verein deutlich verbessert.
TLZ: War das fehlende Miteinander das größte Problem ihrer Vorgänger?
Helmut Rieth: Ich glaube ja. Das hatte damals Raum gelassen für Misstrauen, teilweise auch für Unterstellungen. Ihnen hat man unterstellt, sich erst für die Bobfahrerinnen einzusetzen und sie dann fallen zu lassen.
Die Kiste mit Lutz Katerbau war natürlich nicht so erfreulich für mich. Aber ich sage immer: Man beißt nicht in die Hand, die einen füttert. Heute denke ich, das war elitärer Sport für drei Damen.
TLZ: Das klingt, als wären sie froh darüber, dass sie diese kleine Abteilung losgeworden sind?
Helmut Rieth: Ich wollte den Traditionsverein für Breitensport erhalten. Da muss sich Leistungsspitze mit Leistungsdichte paaren.
TLZ: Leistungssport ist aber teuer. Wie steht es heute finanziell um den SV Wacker 07?
Helmut Rieth: Auch wenn Manche, die uns nicht so gut gesonnen sind, immer wieder Unkenrufe senden, kann ich sagen: Wir sind schuldenfrei.
TLZ: Wie ist Ihnen das gelungen?
Helmut Rieth: Ich habe mich in den vergangenen vier Jahren besonders um die Finanzen gekümmert und stets zur rechten Zeit einen neuen Hauptsponsor gefunden. Anfangs hatten wir Gotha Bau, dann TUE...
TLZ: ...und heute Dussmann.
Helmut Rieth: Stimmt. Ich will aber betonen, das alles habe ich nicht allein geschafft, sondern immer nur mit Freunden an meiner Seite. Beispielsweise hat uns auch OB Volker Doenitz nach seinen Möglichkeiten geholfen. Trotzdem ist Wacker 07 heute ein ganz anderer Verein, vergleicht man ihn mit dem Beginn ihrer Amtszeit. Ich erwähne nur die Ausgründung der Abteilung Kegeln. Wenn wir einen Sportverein nach modernen Gesichtspunkten führen wollen, müssen wir nach geeigneten Strukturen suchen. Die Ausgründung der Kegler war sicher die richtige Entscheidung, während es bei den Boxern keinen Sinn gemacht hätte.
TLZ: Wird es weitere Ausgründungen geben?
Helmut Rieth: In dieser Frage werde ich weiterhin eine ganz harte Linie fahren. Ich entlasse Abteilungen nur dann in die Selbstständigkeit, wenn ich es auch verantworten kann. Der neue Verein muss lebensfähig sein.
TLZ: Immer wieder ist die Rede von einem eigenständigen Fußballclub Wacker Gotha. Wird es den bald geben?
Helmut Rieth: Fußball lebt hauptsächlich von Sponsoring. Eigeneinnahmen könnten zwar in der Oberliga solche Größenordnungen bekommen, dass es sich lohnt, einen eigenständigen Verein zu gründen. Aber momentan ist das noch nicht der Fall.
TLZ: Anderes Beispiel: Sehen Sie die Gefahr, dass Wacker ein Fußballverein mit "Anhängseln" werden könnte?
Helmut Rieth: Nein, meine Linie ist: Nur gemeinsam sind wir stark. Bei den Boxern beispielsweise bürgt der Name Wacker für Qualität. Unser Deutscher Meister Thomas Völkner ist das beste Beispiel. Abgesehen davon sehe ich es auch nicht ein, die anderen Abteilungen im Regen stehen zu lassen.
TLZ: Ich verstehe das richtig, es wird mit Ihnen keinen FC Wacker Gotha geben?
Helmut Rieth: So lange ich hier bin, wird es das nicht geben. Eine andere Frage ist die nach der Struktur. Mit dem Beirat, den wir für die Abteilung Fußball einführen wollen, schaffen wir ein Gremium, das den Präsidenten und den Sportdirektor berät.
TLZ: Können Sie sich eine Fußball GmbH vorstellen?
Helmut Rieth: Bisher war die Abteilung Fußball ein Zuschussgeschäft. Da muss ich darauf achten, dass das Geld gleichberechtigt verteilt wird. Vielleicht etablieren wir für die Fußballer ein eigenes abrechenbares Konto. Aber ich sage noch einmal: Mit mir wird es keine Ausgründung der Fußballer geben.
TLZ: Unter Ihrer Führung ist Wacker erheblich geschrumpft...
Helmut Rieth: Moment mal! Das Schrumpfen klingt mir zu negativ. Schach mit seinen 15 Leuten und Radsport mit seinen 20 Leuten - das war im Grunde genommen kein Schwund, denn Fluktuationen hat man in einem so großen Verein immer. Auch den Weggang der Bobfahrer betrachte ich nicht als Verlust.
TLZ: Soll das heißen, es war ihre Absicht, Wacker 07 in dieser Form zu verkleinern?
Helmut Rieth: Genau genommen sind wir heute bei den Traditionssportarten angekommen: Fußball, Boxen, Gymnastik/Turnen. Die Abteilungen Judo und Tischtennis ergänzen das Ganze. Meiner Meinung nach hat der Verein heute eine Struktur, die zukunftsfähig ist.
TLZ: Zukunftsfähig auch für die Fußball-Oberliga? Kritiker sagen, das sei für Wacker eine finanzielle Zerreißprobe.
Helmut Rieth: Fakt ist, wir werden in der Oberliga der David sein und uns gegen Goliaths behaupten müssen. Wenn beispielsweise Rot-Weiß Erfurt mit 3,1 Millionen Mark Etat einsteigt, muss ich gestehen: Wir haben nicht mal zehn Prozent davon. Dass Geld aber nicht Alles ist, haben der Abstieg von Jena und Erfurt bewiesen.
TLZ: Sie meinen also, ihr Verein könnte sich in der Oberliga behaupten?
Helmut Rieth: Ich denke, wenn das Umfeld stimmt, könnte es klappen. Gotha hat auf jeden Fall wieder die Chance, zu einer Fußballregion zu werden.
TLZ: Am Freitag sind Vorstandswahlen. Was muss das neue Präsidium schnellstmöglich erledigen?
Helmut Rieth: Vor allem Kontinuität bewahren, einen Gang zulegen und sich um den Nachwuchs kümmern, noch stärker als bisher! Übrigens in allen Abteilungen, nicht nur im Fußball.
TLZ: Gibt es auch akuten Handlungsbedarf, was den Etat für die neue Saison anbelangt?
Helmut Rieth: Ich bin kein Typ, der in Hektik verfällt, will erst mal alles auf mich zukommen lassen. Bisher haben wir alle Möglichkeiten im engeren und weiteren Umkreis genutzt, an Sponsoren heranzutreten. Mit verschiedenen Firmen sind wir noch im Gespräch. Insgesamt sieht es aber gut aus.
TLZ: Wenn ich das richtig verstanden habe, planen sie mit einem Etat von 300 000 Mark. Reicht das für die Oberliga?
Helmut Rieth: Ich bin kein Träumer, sondern Realist. Große Einkäufe gibt der Etat leider nicht her. Deshalb wollen wir Spieler an uns binden, die möglichst ablösefrei sind und den Verein nicht viel kosten. In dieser Beziehung vertraue ich voll und ganz auf Trainer, Vereinskoordinator und Sportdirektor.
TLZ: Aber Trainer Frank Stein hat davon gesprochen, dass bis zu neun neue Spieler nötig seien. Nur Wunschdenken?
Helmut Rieth: Ich akzeptiere den Bedarf, den der Trainer angemeldet hat. Er kann sich meiner Unterstützung sicher sein, aber eben nur im Rahmen des Möglichen. Momentan haben wir einen Kader von 14+2, künftig sollen es 20+2 Spieler sein.
TLZ: Kommen auch drei Brasilianer in ihren Planungen vor?
Helmut Rieth: Sollte es mit ihnen klappen, könnte ich sie mir als Anschlusskader vorstellen. Nur dürfen sie von uns keine Garantie erwarten, dass sie zum Stamm der ersten Mannschaft zählen werden. Die Entscheidung liegt beim Trainer.
TLZ: Gar keine Angst wegen der neuen Ausländer-Regelung?
Helmut Rieth: Nein, es gibt da andere Möglichkeiten. Aber damit geht man nicht hausieren.
TLZ: Herr Rieth, am Freitag kandidieren Sie für ihre dritte Amtszeit. Könnte es sein, dass das ihre letzte Legislaturperiode als Wacker-Präsident wird?
Helmut Rieth: Man sollte niemals nie sagen. Aus Erfahrung weiß ich, dass sich der Verein innerhalb von zwei Jahren stark verändern kann. Da muss man mit Hochs und Tiefs rechnen. Ich kann also nicht sagen, was in zwei Jahren passieren wird.

 

Quelle: Thüringer Landeszeitung