Mittwoch 29.August 2001 vorherige Meldung zurück zur Übersicht nächste Meldung


FC Carl-Zeiss Jena: Schön bescheiden bleiben

von Ronald Schulze (TA)

FC carl zeiss Jena Gediminas Sugzda geht gern fein essen. Am liebsten spanisch oder italienisch. "Das schmeckt alles überragend", sagt er.

Im Vergleich zum Frühjahr, als der Litauer in Diensten des FC Carl Zeiss Jena eine Niederlage nach der anderen zu verdauen hatte, kann er diese Abende im Restaurant gemeinsam mit seiner Frau jetzt im Spätsommer auch so richtig genießen. Vor Monaten sah er in sein Rotwein-Glas und grübelte. Heute trinkt er es einfach aus. Der Grund liegt auf der Hand: Jena gewinnt wieder. Zwar nicht mehr in der Regionalliga, nur noch in der Oberliga. Aber mit vier Siegen in vier Spielen war nicht unbedingt zu rechnen. "Die Punkte-Ausbeute ist optimal. Gegen die starken Mann-schaften haben wir zwar noch nicht gespielt. Aber die Meisterschaft wird sowieso gegen die vermeintlich Kleinen entschieden. Und wer da am wenigsten patzt, steht am Ende ganz oben", glaubt der 32-Jährige. Einmal siegte Jena 5:0, drei Mal 1:0. Für Sugzda ist das Ergebnis zweitrangig: "Ob 5:0 oder 1:0 - Hauptsache gewonnen. Vergangene Saison hieß es oft, Jena hätte unglücklich verloren. Wegen mir können wir jetzt immer glücklich gewinnen."

Gediminas Sugzda Und so fährt Gediminas Sugzda dieser Tage gut gelaunt von seinem Wohnort Erfurt nach Jena zum Training. "Ich bin kein Verfechter von übermäßig viel Training, aber zurzeit trainiere ich so hart wie noch nie." Schuld daran ist der neue Zeiss-Trainer Wolfgang Sandhowe, den der 1,85 m große Leistungsträger als "fairen, ehrlichen, direkten Menschen" kennengelernt hat. Bisher habe Sandhowe alles richtig gemacht. "Die Spieler, die er aus Stendal mitgebracht hat, haben was drauf, und die Schinderei im Training zahlt sich aus." Gut findet Sugzda auch, dass der Trainer "diejenigen elf Spieler aufstellt, die im Training die besten Leistungen bringen. Das ist die gerechteste Lösung. Von Woche zu Woche kann sich jeder aufs Neue anbieten."

Dass Jena in der Oberliga Süd die Tabelle anführt, ist aber auch Verdienst von Gediminas Sugzda. Denn der FC Carl Zeiss hat noch kein Gegentor zugelassen - mit dem Litauer als Libero. "Natürlich gehört auch ein bisschen Glück dazu", will sich der Abwehr-Organisator nicht selber loben. Eigentlich war er für diese Position gar nicht vorgesehen, eigens dafür wurde Olaf Holetschek verpflichtet. Holetschek allerdings war in den ersten Wochen der Vorbereitung verletzt, Sugzda bekam mehrere Chancen, machte seine Sache solide, stieg vom Stellvertreter zum Chef auf und hielt das "zu null". Holetschek ging ins zentrale und halblinke Mittelfeld, kann dort mehr für die Offensive tun. Spaß haben beide.

Dass Gediminas Sugzda heute lediglich noch in der Oberliga kickt, macht ihm nichts aus. "In der Oberliga wird auch guter Fußball gespielt. Es gibt halt weniger sehr gute Einzelspieler, dafür zählt die Geschlossenheit, die eine Mannschaft ausstrahlt, um so mehr. Und solche kampfstarken Truppen musst du auch erst mal schlagen", beschreibt er die neuen Herausforderungen an den FC Carl Zeiss.
Außerdem ist er froh, dass er überhaupt noch Fußball spielen kann. Sugzda wuchs in dem 30 000-Einwohner-Ort Telsiai auf, ging dann nach Vilnius zur Sportschule, schaffte den Sprung in die erste Elf, bestritt 15 Spiele für die U 21-Nationalmannschaft der damaligen UdSSR. Später wechselte er in die russische Liga zu Lok Moskau, ehe ihn ein Kreuzbandriss aus der Bahn warf. Für den gelernten Mittelfeldspieler schien die Karriere beendet. Nach zwei schweren Operationen bei einem Spezialisten in Saarbrücken und drei Jahren gänzlich ohne Fußball gelang ihm aber wieder der Anschluss. Im Herbst 1995 kam er nach Jena, brachte es auf 13 Zweitliga-Einsätze, ehe ihn der nächste Rückschlag ereilte: Wadenbeinbruch. Wieder ging ein Jahr verloren, wieder kehrte er zurück. Er spielte in Erfurt und seit Januar 2000 erneut in Jena. "Nach solchen Aktionen freue ich mich über jeden Tag, an dem ich gesund bin und das machen kann, was ich am liebsten mag: Fußball spielen", sagt Sugzda. Da denkt er nicht weiter in die Ferne oder daran, dass er gern weiter in der Bundesliga oder Regionalliga gespielt hätte. Und deshalb hält er auch nichts davon, dass sein FC Carl Zeiss nun schon wieder als der erste Aufstiegsanwärter gehandelt wird: "Wir haben noch 30 Spiele vor uns und treffen noch auf alle Mitfavoriten. Selbst wenn wir Erster werden sollten, müssten wir in die Relegation gegen den Nord-Staffelsieger. Die Leute können reden, was sie wollen. Hoffnungen sind okay, aber wer jetzt gleich von Wiederaufstieg spricht, der ist ein Träumer. Wir wollen doch mal schön bescheiden bleiben." Immerhin registriert Jenas Libero ein neues
Selbstbewusstsein in der Mannschaft. Bereits heute sind alle motiviert für die Spiele gegen den VfB Leipzig in drei Wochen und bei Dynamo Dresden im Oktober. Vorher aber heißen die Gegner Hoyerswerda, Grimma und Neugersdorf. Sugzdas Ziel: "Die Null muss stehen."

Foto: Homepage des FC Carl Zeiss Jena

Quelle: Thüringer Allgemeine