Mittwoch 16.Mai 2001 vorherige Meldung zurück zur Übersicht nächste Meldung

 

Im Zeiss-Präsidium fehlt sportliche Kompetenz

Lutz Prager (Jena /OTZ)
FC Carl Zeiss Jena Der Jenaer Unternehmer Dieter Wolf ist von seinem Sitz im Aufsichtsrat des FC Carl Zeiss zurückgetreten. Über die Gründe sprach OTZ gestern mit dem Chef der Ostthüringer Backwaren GmbH, der gleichzeitig einer der Hauptsponsoren des abgestiegenen Vereins ist.

OTZ: Herr Wolf, weshalb haben Sie das Handtuch geworfen?
Dieter Wolf: Ich möchte meine Meinung im Verein wieder laut und deutlich sagen können. Als Aufsichtsrat ist man an Beschlüsse gebunden und hat im Grunde wenig Einfluss. Bewußt geworden ist mir das bei dem "runden Tisch" vor einigen Wochen in den Stadtwerken. Die Vorstellung des Präsidiums war mehr als enttäuschend gewesen. Da hätte ich gern einiges gesagt. Der zweite Grund ist sportlicher Natur: Ich habe so etwas in der ganzen Welt noch nicht erlebt, dass ein Trainer entlassen wird und trotzdem bleibt. Und das bei dem Tabellenstand. Das finde ich unmöglich.
OTZ: Sie haben den Fußballclub vor zwei Jahren aus höchster finanzieller Not gerettet. Wie schätzen Sie die Entwicklung ein, die der Verein seitdem genommen hat?
Dieter Wolf: Die muss man katastrophal nennen. Ich war sicher, dass wir in der Regionalliga im oberen Drittel eine Rolle spielen können. Ich hatte auch die Hoffnung, dass wir in der nächsten Saison den Aufstieg schaffen.
OTZ: Wo sehen Sie die Ursachen?
Dieter Wolf: Fehlende Kompetenz.
OTZ: Im Präsidium oder beim Trainer?
Dieter Wolf: Im Präsidium. So klar und richtig wie man entschieden hat bei der Ablösung von Thomas Gerstner, so wenig wurden Entscheidungen bei seinem Nachfolger Slavko Petrovic getroffen. Man hat daran geglaubt, dass das Wunder vom vergangenen Jahr unter Petrovic noch einmal passiert.
OTZ: Fordern Sie den Rücktritt des Präsidenten?
Dieter Wolf: Man kann ihm nicht allein die Schuld geben. Er ist ein sehr fleißiger und aktiver Präsident, nur in Sachen sportlicher Kompetenz fehlt da eben sehr viel. Sie sind einer der wichtigsten Sponsoren des FC Carl Zeiss Jena.
OTZ: Bedeutet Ihr jetziger Rücktritt aus dem Aufsichtsrat auch den Ausstieg aus der finanziellen Unterstützung?
Dieter Wolf: Zunächst nicht. Das sind zwei Paar Schuhe. Ich möchte einfach wieder offen reden können im Verein. Sind Sie bereit, als Präsident zu kandidieren? Nein. Das schaffe ich einfach zeitlich nicht. Diese Bitte ist schon einmal vor der Berufung von Herrn Dr. Schmidt-Röh an mich heran getragen worden. Damals musste ich bereits ablehnen. Ich möchte gern Sponsor bleiben, aber nicht die eigene Firma in Gefahr bringen.
OTZ: Wem würden Sie diese Aufgabe zutrauen?
Dieter Wolf: Da habe ich eine klare Vorstellung. Lothar Kurbjuweit sollte in dieser Notsituation gebeten werden, das Steuer zu übernehmen, denn er hat eine Menge Erfahrung. Ebenso sollte Ernst Schmidt als ehemaliger Manager noch einmal gebeten werden, ein oder zwei Jahre seine Kraft für den Verein zu mobilisieren. In den Vorstand gehärt außerdem jemand, der aus der Wirtschaft kommt und Ansehen hat.
OTZ: Meinen Sie, dass ein sofortiger Wiederaufstieg aus der Oberliga möglich ist?
Dieter Wolf: Davon bin ich überzeugt. Nur müssen dazu endlich Entscheidungen getroffen werden. Weder die Spieler noch der jetzige Trainer wissen, woran sie sind. Die Vorbereitungen für die nächste Saison müssten längst laufen. Es muss endlich klar sein, ob Slavko Petrovic nun bleibt oder ob ein neuer Trainer bestellt wird. Diese unmögliche Situation war auch ein Grund für den Rücktritt.

 

Quelle: Ostthüringer Zeitung